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MEDIAWORLD
Bildverarbeitung schützt gefährdete Vögel
Windkraftanlagen müssen aufgrund immer strengerer Artenschutzauflagen abgeschaltet werden, wenn geschützte Vogelarten in die Nähe kommen. Ein Bildverarbeitungssystem der phil-vision bannt mit Hilfe künstlicher Intelligenz und Komponenten der STEMMER IMAGING die Gefahr, dass die Vögel von den Windrädern getroffen werden, und minimiert teure Stillstandszeiten.
Für den Bau und den Betrieb von Windkraftanlagen haben sich die Artenschutzauflagen in den vergangenen Jahren enorm erhöht. So müssen beispielsweise Windräder, in deren Umgebung sich in einem bestimmten Radius windkraftempfindliche Vogelarten befinden, generell für einige Tage abgeschaltet sein, sobald dort Feldarbeiten wie Pflügen, Dreschen oder Mähen stattfinden. Zu diesen Zeiten besteht für Vögel eine erhöhte Gefahr, da sie sich dann zur Nahrungssuche vermehrt über diesen Feldern aufhalten.Auch wenn sich geschützte Vögel in der Nähe bestehender Anlagen einnisten, dürfen diese nur noch eingeschränkt betrieben werden. Immer häufiger sind daher ganztägige Abschaltungen in der Brutperiode zum Beispiel von März bis August Bestandteil von Genehmigungen. Jeder Tag, an dem ein Windrad keinen Strom produziert, verschlechtert jedoch die Wirtschaftlichkeit der Anlage. Trotz des vorhandenen politischen Willens, die Nutzung erneuerbarer Energien gegenüber fossilen Brennstoffen auszubauen, ist daher der Bau von Windrädern insbesondere aufgrund der Artenschutzauflagen stark eingebrochen.
Mit Hilfe von Bildverarbeitung und künstlicher Intelligenz soll dieses Problem nun auf eine Weise gelöst werden, die einerseits die nötige Wirtschaftlichkeit für Windparkbetreiber, aber auch die Bedürfnisse des Artenschutzes berücksichtigt. Um lange, kostspielige Abschaltzeiten zu vermeiden, in denen häufig gar keine Tiere in Gefahr sind, entwickelt die Bürgerwindpark Hohenlohe GmbH derzeit mit Unterstützung der phil-vision GmbH ein System, mit dem große Greifvögel erkannt und lokalisiert sowie deren Flugbahn verfolgt werden können. Ziel ist es, Windräder gezielt und nur dann abzuschalten, wenn geschützte Vögel eine entsprechende Distanz dazu unterschreiten.
Anspruchsvolle Aufgabe
Die Erkennung von Vögeln und ihre Klassifizierung für die nachfolgende Entscheidung, ob es sich um eine geschützte Art handelt, ist laut phil-vision-Gründer Gregor Philipiak eine extrem anspruchsvolle Aufgabe: “An jedem Standort eines Windrads liegen unterschiedliche Gegebenheiten der Fauna vor, daher ist es erforderlich, individuelle Schutzkonzepte zu erstellen. Mit einem ersten Überwachungssystem erarbeiten wir daher zunächst die spezifischen Anforderungen, um dann das Zielsystem für jede Anlage passend auszulegen“.
Die bisherigen Ergebnisse sind laut Philipiak vielversprechend: „Aktuell haben wir rund zehn Testsysteme installiert. Ein solches System besteht aus sechs industriellen Farbkameras mit Auflösungen von 6 oder 20 Megapixel, die in wetterfesten Schutzgehäusen am Mast eines Windrads befestigt werden und Bilder aufnehmen, um den kompletten Luftraum um das Windrad herum zu überwachen.“ Um die gesamte Umgebung im 360°-Rundumblick erfassen zu können, werden dabei spezielle Weitwinkelobjektive eingesetzt, mit denen sich solche breiten Bildfelder überblicken lassen.
Hunderttausende von Bildern
Die Auswertung der aufgenommenen Bilder und die sichere Erkennung gefährdeter Vögel stellt die eigentliche Kunst in dieser Anwendung dar, so Philipiak: „Unser System arbeitet auf Basis von Deep-Learning-Verfahren und benötigt für die Anlernphase knapp 400.000 Bilder von Vögeln unterschiedlicher Art, in unterschiedlichen Entfernungen und mit verschiedenen Flugpositionen.
Hinzu kommen weitere rund 100.000 Bilder pro negativer Instanz, z.B. von Insekten, Flugzeugen oder Hubschraubern, sowie die aufgenommenen Bilder mit den lokalen Besonderheiten.“ Aus dieser großen Anzahl an Trainingsbildern erstellt ein leistungsstarkes Entwicklungssystem automatisch einen Entscheidungsbaum sowie einen Klassifikator, der als Grundlage für die Unterscheidung in der späteren Einsatzphase dient.
„Durch die Verwendung von Deep Learning-Methoden kreieren wir somit ein intelligentes System, das die betreffenden Tiere vor unterschiedlichsten Hintergründen und unter variablen Bedingungen automatisiert detektiert und von möglicherweise ähnlichen Objekten wie etwa Flugzeugen oder Fliegen unterscheidet“, erklärt Philipiak.
Zur Optimierung arbeitet das phil-vision-System in zwei Schritten und mit unterschiedlichen Auflösungen: Mit Hilfe von 6-Megapixel-Kameras werden zunächst alle bewegten Objekte erkannt. Durch die Umschaltung auf Kameras mit 20-Megapixel-Auflösung können solche Objekte anschließend mit höherer Genauigkeit identifiziert werden. So ermittelt das System, ob es sich bei einem gefundenen Objekt überhaupt um einen Vogel handelt und anschließend, ob das Tier einer unter Artenschutz stehenden Gattung angehört.
Die Flugbahnen geschützter Vögel verfolgt das Programm solange, bis sie nicht mehr erkennbar sind und damit für den Betrieb des Windrads keine potentielle Gefahr mehr darstellen. Unterschreitet ein geschützter Vogel die vorgegebene Mindestdistanz zum Windrad, so wird ein entsprechendes Signal an dessen Steuerung ausgegeben, um die Anlage rechtzeitig zu verlangsamen.
Ideen für die Zukunft
Das System ist in der aktuellen Version noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten angelangt, denn das Entwicklungsteam der phil-vision hat weitere Ideen. Eine Option für die Zukunft ist die zusätzliche Integration einer Entfernungsmessung, die bereits in Tests geprüft wird. Hierfür werden je zwei Kameras im Stereobetrieb verwendet, wodurch die gewünschte Tiefeninformation gewonnen werden kann.
Eine vorab einmal durchgeführte Kalibration aller Kameras stellt sicher, dass Fertigungstoleranzen herausgerechnet und die ermittelte Entfernung korrekt in metrische Daten umgewandelt werden. Diese Kalibration wird mithilfe einer Drohne umgesetzt, welche genau festgelegte Punkte in unterschiedlichen Höhen und Distanzen ansteuert.
Über einen Marker kann die Bildverarbeitung auf dem aufgenommenen Bild anschließend die Position der Drohne erkennen und zu jeder Position die definierten Abstände hinterlegen. Auf diese Weise wird die Pose der jeweiligen Kamera exakt ermittelt, um so im Folgenden präzise Daten über sich nähernde Vögel liefern zu können.
Eine weitere geplante Option ist die Unterscheidung der einzelnen geschützten Vögel mittels Klassifikation. Hierfür sollen ebenfalls Deep-Learning-Algorithmen eingesetzt werden, welche mit umfangreichen Bildmengen von unterschiedlichen Vögeln trainiert werden.
Zur weiteren Auswertung ist die Erstellung einer Datenbank geplant. Hier sollen gesammelte Werte über den Vogelflug an verschiedenen Standorten dokumentiert werden. Ein Webinterface soll die Möglichkeit bieten, die aufbereiteten Daten spezifisch für den jeweiligen Windpark oder das einzelne Windrad abzufragen und darzustellen.
Erfahrener Bildverarbeitungspartner
Die Bildverarbeitungskomponenten, die für dieses innovative System benötigt werden, bezieht phil-vision nahezu komplett über STEMMER IMAGING. Philipiak schätzt vor allem die dort erhältliche große Bandbreite an Komponenten und das umfangreiche Know-how der Bildverarbeitungsexperten: „Aufgrund der anspruchsvollen Anwendung mussten wir während der Entwicklung verschiedenste Kamera-Objektiv-Kombinationen testen, um die optimale Zusammenstellung zu erreichen. Hierbei hat uns unser Partner hervorragend unterstützt. Besondere Randbedingungen galten auch für die Kabel, die UV-Licht-stabil sein mussten. STEMMER IMAGING hat sie uns exakt in der nötigen Ausführung angefertigt, was uns viel Aufwand erspart hat.“
Die PC-Technologie für die Systeme stammt ebenfalls von STEMMER IMAGING. Selbst entwickelt hat phil-vision die Software zur Auswertung der aufgenommenen Bilder und nutzte dabei den CVB Image Manager sowie das Tool CVB Movie aus der Bildverarbeitungsbibliothek Common Vision Blox. Der Einsatz von CVB und Open CV verleiht Anwendern ein Höchstmaß an Flexibilität, um bei Bedarf z.B. andere Kameras einzusetzen.
Artenschutz wirtschaftlich umgesetzt
Der Weg bis zum erfolgreichen Einsatz scheint nicht mehr weit: Im ersten Schritt soll ab Frühjahr 2020 ein fertiges System zum Monitoring von Flugbewegungen geschützter Vogelarten im Anlagenumfeld eingesetzt werden.
In enger Zusammenarbeit mit mehreren Biologen werden dann auf Basis des jeweiligen (Flug-)Verhaltens der Vögel individuelle Schutzkonzepte ausgearbeitet, gemäß derer die Bildverarbeitungssysteme im Anschluss für die spezifischen Randbedingungen ausgelegt und angepasst werden.
Ziel soll es sein, den vorliegenden Anforderungen des Artenschutzes gerecht zu werden und so den zwingend notwendigen Ausbau erneuerbarer Energien im Bereich der Windkraft durchführen zu können.
www.stemmer-imaging.com
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