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05
'13
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NORD Drivesystems
Wegbereiter durch das weiche Herz von London Förderantriebstechnik für Schnellbahn-Tunnelbau im Londoner Zentrum
Bargteheide – Die Weltstadt London ergänzt ihr stark frequentiertes öffentliches Nahverkehrsnetz derzeit um eine völlig neue Ost-West-Schnellbahn mit über 100 km Länge. Für das Großprojekt werden allein im Stadtzentrum Tunnelröhren auf 21 km Strecke neu gebohrt. Hier besteht der Untergrund vorwiegend aus einem weichen Lehm, dessen klebrige Beschaffenheit für den Abtransport des Ausbruchs besondere Herausforderungen mit sich bringt. Mit H+E Logistik und NORD DRIVESYSTEMS stellten zwei deutsche Branchenspezialisten geeignete Fördertechnik samt zugehörigen Getriebemotoren bereit.
Bild 1: Deutsche Technik für den Bau der neuen Bahnstrecke quer durch London – die Tunnelbohrmaschinen lieferte HerrenknechtAda und Phyllis kommen nur langsam voran auf ihrer Route durch die Londoner Innenstadt. Schuld daran sind in ihrem Fall jedoch ausnahmsweise nicht die chronisch verstopften Straßen der britischen Metropole, denn die beiden Damen sind tief unter der Oberfläche unterwegs. Bei Ada und Phyllis – benannt nach der englischen Mathematikerin Ada Lovelace und der Stadtplan-Pionierin Phyllis Pearsall – handelt es sich um rund 100 Meter lange und etwa 1.000 Tonnen schwere Tunnelbohrmaschinen (TBM) des deutschen Herstellers Herrenknecht. Sie treiben seit 2012 ihre sieben Meter breiten Schilde im Rahmen des Schnellbahnprojekts „London Crossrail“ unter der City voran. Das Licht der Welt werden sie voraussichtlich 2015 wieder erblicken, wenn sie von Royal Oak bis Farringdon Station jeweils sechseinhalb Kilometer Distanz bewältigt haben. Neben Ada und Phyllis stellen weitere TBM auf einer Reihe anderer geplanter Streckenteile ähnliche Tunnel für die später insgesamt 118 km lange Ost-West-Verbindung quer durch London her, deren erste Abschnitte ab 2018 in Betrieb genommen werden sollen. Züge für Hunderttausende von Pendlern werden nach Fertigstellung dicht getaktet zwischen der Hauptstadt und ihrem Umland von Berkshire und Buckinghamshire bis Essex verkehren. Mit einem Investitionsvolumen von über 17 Mrd. EUR ist „London Crossrail“ das derzeit größte Infrastrukturprojekt Europas.
Bild 2: Die ebenfalls aus Deutschland stammende Fördertechnik ermöglicht den Abtransport mehrerer Tausend Tonnen Aushub pro Stunde
Bild 3: NORD DRIVESYSTEMS lieferte die Antriebe für die Förderbänder
Anspruchsvoller Materialtransport
Bei der Verlängerung der beiden parallel im Bau befindlichen Röhren unter der Innenstadt fällt an den TBM jeweils bis zu 1300 Tonnen Aushub in der Stunde an. Zwar setzt der typische „London Clay“ den Bohrern selbst keinen großen Widerstand entgegen – zumal im Vergleich zu Massivgestein im Gebirgstunnelbau, dem solche Maschinen ebenfalls gewachsen sind. Doch erfordert auch der Umgang mit dem weichen Material eigens auf dessen Konsistenz abgestimmte Lösungen. Die Herausforderung liegt hier insbesondere in der zuverlässigen Beförderung des Ausbruchs weg von der Baustelle, der bis zum Abtransport in Zügen über Maschinen-, Tunnel- und Haldenbänder geleitet werden muss. Zum Stand der Technik beim Tunnelvortrieb gehört, dass ausgebohrtem Material zur besseren Handhabung direkt an den Bohrern Tenside zugesetzt werden. Würde die ganz besondere Londoner Mischung aus lehmiger Erde und diesen Zusatzstoffen auf Standardbänder gelangen, wären baldige Komplikationen im Betrieb absehbar: Schnell käme es zur hartnäckigen Anhaftung der Masse auch an Teilen dieser Bänder. Tunnelförderer für das „London Crossrail“-Projekt hat das Herrenknecht-Tochterunternehmen H+E Logistik deshalb besonders angepasst. Neben dem Einsatz von speziellen Kunststoffbeschichtungen dient unter anderem auch ein eigens für die Bedingungen vor Ort entwickeltes Abstreifersystem dazu, Probleme durch festklebendes Fördergut zu verhindern.
Bild 4: Den lehmigen Londoner Baugrund durchdringen die Tunnelbohrmaschinen leicht, doch sein Abtransport stellt die Fördertechnik vor besondere Herausforderungen
Erstens verlässlich, zweitens flexibel
Die besondere Ertüchtigung der Tunnelbänder selbst war für die Gewährleistung eines möglichst störungsarmen Betriebs eine wesentliche Voraussetzung, jedoch lediglich eine Seite der Medaille. Ähnlich wichtig waren Spezifikation und Beschaffung zuverlässiger Förderantriebstechnik. Hierfür wandte H+E Logistik sich an einen bewährten Partner, nämlich NORD DRIVESYSTEMS aus Bargteheide: „Mit NORD arbeiten wir schon um die zehn Jahre lang regelmäßig zu-sammen – wir haben schon Hunderte von Projekten gemeinsam abgewickelt“, erklärt Dirk Uphues, der für die Arbeiten in London zuständige Projektmanager bei H+E. „Einer der wichtigsten Punkte ist für uns immer schon, dass Getriebemotoren an unseren Förderbändern nur eine extrem geringe Ausfallrate haben dürfen. Diese Schlüsselanforderung erfüllt NORD vorbildlich, egal welche Typen wir jeweils beziehen.“ An den Tunnelbändern in London werden Kegelradgetriebemotoren mit einer beidseitigen glatten Abtriebswelle eingesetzt. Über eine Spannkupplung wird das Moment auf den Bandförderer übertragen. „Natürlich möchten wir erstens die Variantenvielfalt gering halten. Zweitens gibt uns die beidseitige Welle die Flexibilität, die wir brauchen: Unsere Systeme absolvieren nicht nur einen einzigen Tunnelbau-Einsatz, sondern werden ziemlich oft nach Projektende zurückgekauft. Die Weiterverwendung an einem anderen Einsatzort ist mit einem variablen Antrieb natürlich bedeutend leichter“, so Uphues.
Bild 5: H+E Logistik entschied sich für langlebige und besonders flexible Ausführungen von NORD-Getriebemotoren, die später auch anderswo weiterverwendet werden können
Aus einem Guss und ohne Zeitverlust
Für horizontale und vertikale Förderanlagen bietet NORD ein variantenreiches Portfolio von Getrieben und Getriebemotoren an. Zu den Besonderheiten gehört, dass dabei sämtliche Getriebe grundsätzlich mit einteiliger Gehäusekonstruktion gefertigt werden. Dies gilt selbst für äußerst drehmomentstarke Industriegetriebe bis 242 kNm, die bei extremen Steigungen der Förderstrecke und sehr hohen zu transportierenden Mengen benötigt werden. In den einteiligen Blockgehäusen der NORD-Industriegetriebe sind alle Lagerstellen integriert – es gibt also keine Trennungen zwischen Antriebsseite und Getriebegehäuse, die querkraft- oder drehmomentbelastet sind. Das Prinzip des Blockgehäuses ermöglicht zudem durch den Versatz der Wellenachsen eine sehr kompakte Bauweise und den Einsatz größerer Wälzlager, die eine hohe Lagerlebensdauer garantieren. Industriegetriebe können sowohl links als auch rechts eingesetzt werden. Die meisten Typen sind weltweit zügig lieferbar. Obwohl sich gerade Tunnelarbeiten oft langfristig über viele Jahre erstrecken, ist für Kunden wie H+E Logistik dennoch diese kurzfristige Verfügbarkeit eine sehr geschätzte Praxis in der Zusammenarbeit. Zum Bauprojekt in London zum Beispiel gehören neben der Tunnelbohrung auch der Umbau und teils die Neuerrichtung von Stationen. Auf Höhe der Bond Street Station stellte sich vor einiger Zeit heraus, dass dort nicht im Voraus planbare manuelle Ausbruchsarbeiten zusätzlich schnell auszuführen waren, um andere Projekttermine nicht zu beeinträchtigen. H+E erhielt deshalb den Auftrag, binnen acht Wochen zu diesem Zweck geeignete Kurzbänder bereitzustellen. „Was wir von NORD an Antriebstechnik dafür brauchten, war schon fünf Tage nach der Bestellung bei uns“, erzählt Birgit Barian, die bei H+E im Einkauf den Kontakt zum Antriebslieferanten hält. „In ähnliche Situationen, wo sich Liefer- und Termindruck stark erhöhen, gerät man vor allem gegen Projektende natürlich immer wieder mal – auch wenn man selbst als Beteiligter alle Fristen eingehalten hat, sind ja noch viele Dritte und manchmal unvorhergesehene Umstände im Spiel. Ohne Partner wie NORD, die praktisch auf Zuruf zur Verfügung stehen, käme man dann wohl in Schwierigkeiten.“
Wenn alles läuft, dann läuft es
Große Bau- und Infrastrukturprojekte sind notorisch bekannt für lange Verzöge-rungen und Verteuerungen – auch bei „London Crossrail“ würden diese wahrscheinlich kaum jemanden überraschen. Beim Tunnelbau mitten im Zentrum der britischen Hauptstadt jedoch exerzieren Förderbänder von H+E Logistik mit Antriebstechnik von NORD stattdessen vor, wie durchdachte, speziell angepasste Lösungen sowie hohe Robustheit und Zuverlässigkeit aller Bestandteile des Systems die Voraussetzung zur planmäßigen Auftragsabwicklung schaffen können. Ingo Rink, Projektverantwortlicher bei H+E für TBM-Förderbänder, erklärt mit einem Augenzwinkern: „Schließlich arbeiten wir ja auch in unmittel-barer Nachbarschaft des Buckingham-Palasts. Die Queen darf sich ruhig aufs Babysitten konzentrieren. Wir stören sie nicht mehr als unbedingt nötig mit Baulärm.“
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