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08
'21
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Fraunhofer News
NACHHALTIG PRODUZIERTER HOCHGESCHWINDIGKEITS-HELIKOPTER
Er ist schnell, leicht und verbraucht wenig Treibstoff: Der Hochgeschwindigkeits-Helikopter RACER bringt es auf Fluggeschwindigkeiten von bis zu 400 Kilometern pro Stunde. Die Schalenbauteile seiner Außenhaut werden mit einem neuartigen Fertigungsverfahren hochautomatisiert hergestellt. Ein Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Gießerei-, Composite und Verarbeitungstechnik IGCV hat die innovative, nachhaltige Methode gemeinsam mit Airbus Helicopters entwickelt.
Mit mehr als 400 Kilometern pro Stunde ist RACER, kurz für Rapid and Cost-Effective Rotorcraft, deutlich schneller unterwegs als herkömmliche Hubschrauber, die es etwa auf eine Geschwindigkeit von 230 bis 260 Kilometer pro Stunde bringen. Doch das ist nicht die einzige Besonderheit, durch die sich der Helikopter auszeichnet. Die Decklagen seiner Seitenschalen bestehen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK), der Sandwichkern aus Phenolharzwaben. Bislang werden solche großformatigen, in Sandwichbauweise hergestellten Schalen manuell im Handlegeverfahren gefertigt – ein zeitaufwändiger, kostspieliger Prozess. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IGCV in Augsburg haben in Kooperation mit Airbus Helicopters ein Fertigungsverfahren entwickelt, das es ermöglicht, die CFK-Schalenbauteile hochautomatisiert herzustellen. Gefördert wird die Entwicklung im Rahmen des CleanSky 2-Programms der Europäischen Union. Als Paradebeispiel europäischer Koordination und Integration bringt die Demonstrator-Plattform mehr als 25 Konsortien in 13 Ländern aus Industrie und Wissenschaft zusammen, unterstützt durch ein umfangreiches Ökosystem von KMUs – vereint in dem Bestreben der EU, eine umweltfreundlichere Luftfahrt zu verwirklichen.
Die automatisiert gefertigten 3,4 x 1,5 Meter großen Schalensegmente bilden den hinteren rechten und linken Teil der Außenhaut. Sie verbinden den Heckausleger mit dem Cockpit. »Die Schalen wurden auch bislang mit kohlenstofffaserverstärkten Leichtbaumaterialien gefertigt, aber wir haben den Herstellungsprozess weiterentwickelt. Er basiert jetzt auf dem sogenannten Automated Fiber Placement Prozess«, sagt Thomas Zenker, Wissenschaftler am Fraunhofer IGCV. Ein Roboter legt die endlosfaserverstärkten, vorimprägnierten Materialien automatisiert ab. Dabei werden unidirektionale Tapes verwendet, die bessere mechanische Eigenschaften aufweisen und weniger Verschnitt erzeugen als gewebebasierte Kunststoffverbunde. Der Sandwichkern aus Phenolharzwaben trägt zur Steifigkeit des Verbunds bei, die Decklagenfasern sorgen für die Festigkeit. Ein Klebefilm stellt die Krafteinleitung zwischen Kern und Decklagen sicher.
»Bevor das Material ausgehärtet wird, legt der Roboter die Fasern in hoher Qualität in ein Werkzeug ab. Der Roboter folgt dabei einer eigens entwickelten Programmiermethodik. Das Werkzeugkonzept wurde speziell für die Prozesskette entwickelt. Seine Oberfläche definiert die Form, die die Fasern bei der automatisierten Ablage annehmen sollen. Dabei werden die komplexen Geometrien der unterschiedlich geformten Sand-wichtaschen berücksichtigt. Die Tapes werden also genau dort platziert, wo die Struktur des späteren Bauteils es erfordert«, fasst der Ingenieur den Vorgang zusammen.
Die Seitenschalen werden per Automated Fiber Placement hergestellt – einem innovativen Composite-Fertigungsverfahren.
RACER birgt großes Nachhaltigkeits-Potenzial
Je nach Schichtung und Fasern erreicht ein per Automated Fiber Placement hergestelltes CFK-Bauteil eine höhere Belastbarkeit als ein Stahlelement, während es deutlich weniger wiegt. »Dies ist ein wichtiger Aspekt in der Luftfahrt, wo jedes eingesparte Kilo-gramm zur Reduktion des Treibstoffverbrauchs beiträgt«, sagt der Forscher. Durch das eingesparte Material reduziert sich das Gewicht der Schalensegmente um fünf Prozent.
Je nach verwendetem Energiemix bei der Produktion kann der ökologische Fußabdruck damit um bis zu 15 Prozent pro Schalensegment verbessert werden.
Automated Fiber Placement für verschnittarme Prozesse
Darüber hinaus bringt das weiterentwickelte Fertigungsverfahren zusätzliche Vorteile mit sich: So sind Zenker und sein Team in der Lage, die Produktionsabfälle durch den effizienteren Prozess von 45 auf 20 Prozent zu senken. Je nachdem, wie viele Helikopter hergestellt werden, ist durch den automatischen Prozess im Vergleich zur konventionellen Fertigung im Handlegeverfahren außerdem eine Produktionskosten-Einsparung möglich. Bei einer Produktionsrate von 65 Helikoptern pro Jahr liegt diese beispielsweise bei 20 Prozent.
Im August 2020 wurden die beiden Seitenteile für den Prototyp des Helikopters fertiggestellt. Danach erfolgte bei Airbus die Aushärtung und die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung, bei der die Bauteile mit einem Ultraschallverfahren nach potentiellen Defekten durchleuchtet werden. Neue Kombinationen aus Material und Fertigungsprozess bedürfen einer intensiven Überprüfung, insbesondere in sicherheitskritischen Branchen wie der Luftfahrt. Im Rahmen von Permit-to-flight-Tests wurden zusätzlich Kennwerte von Materialproben ermittelt und bewertet. Diese mechanischen Prüfungen sind Voraussetzung für die Flugfreigabe des Demonstrators.
Die Bauteile vom Fraunhofer IGCV hielten der Prüfung stand und werden momentan zu einem Prototyp zusammengebaut. Anfang 2022 soll der nachhaltige Helikopter fertig gestellt sein und zu seinem ersten Testflug aufbrechen.
Durch seine hohe Geschwindigkeit ist er für den Einsatz in Notfällen aller Art prädestiniert. Denkbar ist jedoch auch der Einsatz als Flugtaxi, um Passagiere zwischen urbanen Zentren zu befördern – und dies ganz ohne Stau.
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