Infografik Lieferkette (c) reichelt elektronik
Hohe Energiekosten, rückläufige Wirtschaftsprognosen und die schwierige Lage auf dem Weltmarkt haben den Diskurs der letzten Monate geprägt.
Stau in Lieferketten war dabei kein großes Thema. Hat sich die Lage bei den Zulieferern 2024 also wieder erholt? Die Zahlen des aktuellen Lieferkettenreports von reichelt elektronik zeigen, dass bei Lieferketten noch lange keine Normalität eingetreten ist. In der nun seit vier Jahren in Folge durchgeführten Studie werden mehr als 500 Industrieunternehmen aus Deutschland vom unabhängigen Umfrageinstitut OnePoll befragt.
Wenig Hoffnung auf Besserung – Lieferkettenprobleme weiterhin verbreitet
Probleme in der Lieferkette sind bei deutschen Unternehmen noch immer weit verbreitet. In diesem Jahr berichteten etwa vier von fünf Unternehmen (83%) von großen oder mittelgroßen Beeinträchtigungen durch Lieferkettenengpässe. Die Hälfte (51%) musste aufgrund fehlender Bauteile mindestens 20 Tage lang die Produktion stoppen – ein enormer Verlust für die betroffenen Unternehmen. Jedoch ging die Dauer der durchschnittlichen Produktionsunterbrechungen leicht zurück. Standen die Maschinen im Jahr 2023 noch an 32 Tagen still, waren es in diesem Jahr etwa 30 Tage. Beide Werte sind eine deutliche Verbesserung zu 46 Tagen im Jahr 2022.
Ersatzteile für Geräte und Maschinen (35%), Sensoren (34%) Halbleiter und Controller (beide 30%) waren ebenso wie im letzten Jahr auch 2024 am schwersten zu erhalten. Als genauso herausfordernd wie Lieferengpässe (58%) empfanden die Unternehmen den Preisanstieg bei kritischen Bauteilen (58%). Ein deutlicher Unterschied zu 2023: In diesem Jahr sind die Befragten weit weniger optimistisch, dass sich die Situation in den kommenden zwölf Monaten verbessert (36% Zustimmung im Vergleich zu 46% im Vorjahr).
So beeinflusst die Lieferkette das Produktdesign
Interessant zu sehen ist außerdem, wie stark Produktverfügbarkeiten die Produktpalette und das Produktdesign mit beeinflussen. So gaben 39 Prozent der Befragten an, bei der Entwicklung neuer Produkte noch stärker auf eine langfristige Verfügbarkeit von Komponenten zu achten. Mehr als ein Drittel (35%) hat außerdem für alle oder fast alle Komponenten alternative Lieferanten identifiziert.
Auch der Preis spielt eine entscheidende Rolle: 29 Prozent der Unternehmen hat bereits ein Produkt aus dem Sortiment genommen oder dauerhaft geändert, weil bestimmte Bauteile zu teuer wurden.
Diverser, regionaler, sicherer – wie die Lieferkette werden soll
Um sich besser gegen Materialengpässe zu schützen, haben die meisten Unternehmen sowohl auf langfristige als auch auf kurzfristige Lösungen gesetzt. So haben 38 Prozent der Unternehmen bereits ihre Lagerbestände erhöht, während weitere 42 Prozent das für 2025 planen.
Auch der langfristige Plan, Lieferketten zu regionalisieren und diversifizieren, ist bei einigen Unternehmen schon in der Umsetzung. So haben ein Drittel (33%) bereits zu regionalen Zulieferunternehmen gewechselt, um weniger abhängig von internationalen Einflüssen zu sein, während weitere 42 Prozent diesen Plan im nächsten Jahr verfolgen wollen. Ähnlich viele (33%) Unternehmen haben längst ihr Zuliefernetzwerk erweitert, und weitere 41 Prozent planen das im kommenden Jahr.
Doch Geschehnisse auf dem Weltmarkt oder politische Ereignisse sind nicht die einzigen Antreiber, warum Unternehmen ihre Lieferketten ändern. Jedes dritte Unternehmen (33%) hat in diesem Jahr Maßnahmen getroffen, um die Sicherheit ihrer Lieferketten zu erhöhen und sich so vor Angriffen zu schützen. Fast die Hälfte der Unternehmen (48%) plant diesen Schritt im kommenden Jahr. Ebenso deutlich zeigt sich der Einfluss des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes: 39 Prozent der befragten Unternehmen haben in diesem Jahr einen Lieferanten gewechselt, um das Gesetz einhalten zu können und weitere 48 Prozent nehmen sich das innerhalb der nächsten 12 Monate vor.
Internationale Krisen und was Deutschland tun kann
Die steigenden Kosten für Bauteile (58%) ist nicht der einzige Faktor, der in deutschen Industrieunternehmen den Preisdruck erhöht. Als größtes Hindernis empfinden die Befragten die hohen Energiekosten (68%). Auch die herausfordernde wirtschaftliche Situation weltweit (59%) und im eigenen Land (58%) macht den Unternehmen zu schaffen. Als besonders große negative Einflüsse werden der Krieg in der Ukraine (56%) und mögliche oder stärkere Handelskonflikte zwischen China und der EU (49%) dicht gefolgt von einem möglicherweise noch größer werdenden Nahostkonflikt (48%) genannt.
Der Blick nach Innen zeigt, dass immerhin die Hälfte der Unternehmen (49%) zustimmen, dass die derzeitige Regierung ihnen eine solide Basis für den Handel im internationalen Kontext schafft. Was sie sich von der Regierung wünschen würden, um noch erfolgreicher sein zu können, ist vor allem ein stärkerer Schutz der heimischen Industrie vor Wettbewerbern aus dem Ausland – vor allem wenn diese durch staatliche Subventionen unterstützt wurden, wie es etwa in China der Fall ist (37%). Zudem brauchen sie Entlastungspakete oder Förderprogramme, um hohe Kosten zu reduzieren (34%), und eine Reduktion der Bürokratie (29%). Außerdem würden sie gerne leichter neue Handelspartnerschaften mit Ländern aus Afrika oder Südostasien schließen können (28%).
Fazit
„Auch wenn Lieferkettenengpässe in diesem Jahr vor ebenso wichtigen Herausforderungen wie etwa hohen Energiekosten etwas weniger Beachtung fanden, bedeutet das nicht, dass sich die Situation bei Lieferketten entspannt hat“, resümiert Christian Reinwald, Head of Product Management und Marketing bei reichelt elektronik. „Weiterhin müssen deutsche Unternehmen kluge Wege finden, um Effizienz, Qualität und Kostenkontrolle in ihrer Produktion gewährleisten zu können. Dass Unternehmen dafür kurz- und langfristige Lösungen wählen, ist ein gutes Zeichen.“
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