www.konstruktion-industrie.com
Vossloh

Eine neue internationale Straßenbahnlinie wird künftig Frankreich mit Deutschland verbinden

Vossloh wird seit jeher mit dem Bau der Straßburger Straßenbahn in Verbindung gebracht und stellt heute eine Reihe an Schienen- und Signalführungsausrüstungen für die Erweiterung der Linie in die deutsche Stadt Kehl bereit.

Eine neue internationale Straßenbahnlinie wird künftig Frankreich mit Deutschland verbinden
Abb. 1: In der 11.600 m2 großen Werkstatt von Vossloh Cogifer S.A. in Reichshoffen werden Schienenauszüge sowie Weichen und Kreuzungen montiert.

Im Rahmen eines aktuellen Projekts, der Erweiterung der Linie D zwischen Straßburg und der deutschen Stadt Kehl um 2,9 km wurde Vossloh vor neue Herausforderungen gestellt, die schließlich zur Entwicklung neuer Produkte führten. Das Unternehmen entwickelte und fabrizierte eine neue Übergangsschiene, die das Rillenschienengleis mit dem Vignolgleis auf der Brücke verbinden wird. Die Schienenauszüge können einen Auszugsweg von 120 bis 140 mm bewältigen.

Entwicklungen im Laufe der Zeit

In Straßburg und den sechs angrenzenden Gemeinden, die der europäischen Metropole angehören, spielt die Straßenbahn eine wichtige Rolle im Leben der Menschen. Sie blickt auf eine lange Erfolgsgeschichte zurück. Die erste von Pferden gezogene Linie wurde 1878 eingeweiht, die erste elektrisch betriebene 1894. Mit dem Beginn der Massenproduktion von Autos verlor die Straßenbahn in der dreißiger Jahren etwas an Prestige. 1960 wurde der Betrieb schließlich eingestellt. 1994 stieg sie jedoch wieder wie ein Phönix aus der Asche auf und feierte ihr Comeback. Seitdem wurde sie ständig erweitert. Heute besteht das 45 km lange Netzwerk aus sechs Bahnlinien. Derzeit wird eine internationale Verbindung zur deutschen Stadt Kehl gebaut. Die neue Erweiterung von Straßburgs Straßenbahnlinie D nach Kehl wird fortan eine bessere Verbindung zwischen den beiden Städten bieten und die Wiedererschließung unbenutzter Industriegebiete fördern. Dafür war allerdings der Bau von zwei Brücken, der Zitadellenbrücke über dem Vauban-Hafenbecken und der Rheinbrücke, notwendig. Sie ermöglichen den Betrieb einer 2,9 km langen grenzübergreifenden Linie innerhalb der städtischen Ballungsgebiete zwischen Straßburg und Kehl und über den Straßburg-Ortenau-Eurodistrict hinaus.

Schieneninfrastrukturen im Blickpunkt

Das Kerngeschäft der Vossloh Group besteht in Schieneninfrastrukturen. Sie stellt weltweit Ausrüstungen und Lösungen aller Art im Bereich des Schienenverkehrs und damit verbundene Dienstleistungen bereit. Für die Erweiterung der Linie nach Kehl lieferte Vossloh, das bereits das Straßenbahnnetzwerk von Straßburg ausgerüstet hatte, Weichen und Übergänge, baute die Signalsysteme aus und integrierte sie in das bestehende Netzwerk. Die Weichenzungen und Übergänge werden in der 11.600 m2 großen Werkstatt von Vossloh Cogifer S.A. in Reichshoffen (Abb. 1) montiert.

Komplett montierte Weichen höchster Qualität

Da Weichen die kompliziertesten Elemente innerhalb eines Schienensystems sind, erfordern ihre Entwicklung, der Herstellungsprozess und die Wartung viele Fachkenntnisse. Vor diesem Hintergrund setzt Vossloh seit 1993 beispielsweise im Bereich der Straßenbahnweichen Weichen und Kreuzungen (Weichenherzen) in einem Stück ein, statt sie aus einzelnen Teilen zusammenzuschweißen. Teile aus einem Stück sind während ihres gesamten Gebrauchslebens wesentlich widerstandsfähiger und bieten mehr Komfort, Sicherheit und Verlässlichkeit. Das Straßburger Verkehrsunternehmen (CTS, Compagnie des Transports Strasbourgeois) setzt seit jeher hochwertige Weichen und Übergänge dieser Art für seine Straßenbahnlinien ein, da sie sich selbst nach fast zwanzig Millionen Achsenpassen so wenig abnutzen, dass sie nur im Rahmen der gängigen Wartungsarbeiten abgeschliffen werden müssen. Damit fallen weniger Wartungsarbeiten an, das Gebrauchsleben ist wesentlich länger als bei anderen Lösungen und außerdem bedeutet es ein Kostenersparnis um bis zu 50 %.

Die Weichensysteme von Vossloh werden auf Betonschwellen montiert geliefert, um die Installation zu vereinfachen. Die verschiedenen Elemente werden in der Werkstatt hergestellt. Dort werden maschinell laminiertes Blech und Profile mit mechanischen Spezifikationen hergestellt, die eine hohe Leistung bieten. Die flexiblen mobilen Weichenzungen werden beispielsweise aus Stahl mit einer Bruchfestigkeit von 1100 MPa und einer Brinellhärte von 400 HB gefertigt. Durch die Komponenten und den Herstellungsprozess wird sichergestellt, dass sie über einen langen Zeitraum sicher funktionieren und zuverlässig bleiben.

Auch das Weichensteuerungssystem, die Weichenzungenpositionssteuerung und das Heizungssystem, welches im Winter bei niedrigen Temperaturen unbedingt notwendig ist, werden bereits in der Werkstatt installiert, damit die Installation vor Ort per „Plug and Play” erfolgen kann.

Ob auf einer separaten Schiene oder einer Zone mit gemischtem Verkehr im Stadtzentrum, wo sich die Straßenbahn in den Straßenverkehr einordnen muss, passen die Weichen von Vossloh in sämtliche Oberflächen wie Gras und Torf, Asphalt, Kopfsteinpflaster und falls notwendig auch anderen Bodenbelägen, und können sich an die Schienenumgebung anpassen und eine vollständige physische Fortsetzung des Straßenverkehrs gewährleisten.

Zur Überbrückung des Rheins sind Schienenauszüge notwendig

Die neue über 290 m lange Brücke über dem Rhein verbindet Frankreich mit Deutschland. Sie ist die letzte Verbindung dieser ersten länderübergreifenden Straßenbahn. Ihr Stahldeck besteht aus zwei gleichen Teilen, die an der Mittelsäule aufeinandertreffen. Um trotz der Temperaturschwankungen zwischen den Jahreszeiten eine perfekte Kontinuität zu gewährleisten, wurden an verschiedenen Positionen der Brücke Schienenauszüge installiert. Etwa zwanzig Meter vom Rand entfernt bewältigen sie einen Auszugsweg von 120 bis 140 mm und den entsprechenden Schienenauszug. Vosslohs „V-Net”-Reihe, für die man sich entschied, verfügt über ein bidirektionales Modell, das aus der im TGV eingesetzten Technologie stammt. Da dieses an Vignolschienen angepasst werden musste, entwickelte und fertigte Vossloh eine Übergangsschiene, die Rillenschienengleis mit Vignolgleis verbindet. Um die Sicherheit der Übergangsschiene zu gewährleisten, wurden Entgleisungsschutzschienen installiert.

Signalführung und Sicherheit

Die funktionelle Sicherheit der Straßenbahn hängt direkt von der Signalführung und der Ausrüstung ab, die installiert wurde, um Unfällen auf den Schienen vorzubeugen. Die Ausrüstung wird vom Fahrer gesteuert. Dieser hat die volle Kontrolle über die Straßenbahn. Er wählt den Zielort aus, sieht seine Strecke vor sich, achtet auf Kreuzungen und passt die Geschwindigkeit entsprechend an, um einen sicheren Abstand zwischen den Straßenbahnen einzuhalten und Zusammenstöße zu verhindern. Der Fahrer muss alle Ereignisse auf den Gleisen berücksichtigen und in Zonen mit gemischtem Verkehr auf Fußgänger, Radfahrer und Motorradfahrer achten, welche die Plattformen überqueren. In Weichenbereichen muss er der Signalführung folgen und die Weichen steuern, um seine Route gemäß dem Command and Control Center (CCC) in Kronenburg fortzusetzen.

Für die neue Linienerweiterung nach Kehl ermöglicht der neue Straßenbahnbetriebshof Port du Rhin nun Teilstrecken und die „Lagerung” von Straßenbahnen. Der Straßenbahnbetriebshof Orbey-Briand, der sowohl als Nebengleis als auch als Endstation dient, wurde umgebaut, um den Verkehr zwischen Straßburg und Kehl in beide Richtungen zu ermöglichen. Zur Erhöhung der Sicherheit wurden im Zuge des Umbaus die Relais des Automatisierungssystems durch ein Computer-CPU ersetzt. Für beide Höfe wurde eine angemessene Schieneninfrastruktur geschaffen und das neue Signalsystem wurde in das bestehende Netzwerk integriert.

Durch ein privates optisches Kabel, das entlang der Schienen in einem Schutzrohr verlegt wurde, werden alle Daten zwischen dem CCC und der Befehls-, Steuerungs-, Signal- und Visualisierungseinheiten übertragen. Das Zentrum ist mit einem Server mit Hot Redundancy ausgestattet. Die Zentraleinheiten arbeiten parallel, um die gesamte Linie zu steuern. Lokal wird die Sicherheit durch SIL3 CENELEC Bi-Prozessoren sichergestellt, die sich in den Maschinenräumen befinden. Wenn einer der Prozessoren ausfällt oder in Konflikt gerät, schaltet das Steuerungssystem automatisch alle Signale auf Rot, um die entsprechende Zone in den Sicherheitsmodus zu versetzen.

Im CCC sitzen die Mitarbeiter, die den Verkehr regeln, direkt am Herzstück des Steuerungs- und Sicherheitssystems. Sie haben Zugriff auf die dynamische Visualisierung und sehen, was auf der Linie geschieht. Außerdem erhalten sie alle Informationen über die Position der Weichen, den Ampelstatus und die Bereiche der Schienen, in denen sich die Straßenbahnen befinden. Bei Fehlfunktionen und Anomalien wird ein Funkgespräch mit dem Fahrer geführt, der die Situation direkt sieht und die angemessene Entscheidung fällen kann, damit die Straßenbahn ihren Weg so schnell wie möglich fortsetzen kann. Alle Betriebsdaten werden im CCC gespeichert. Wenn ein Problem auftaucht, gelangt man über die Funktion „Replay” zurück zu einem früheren Vorfall und kann diesen analysieren.

Entlang der Strecke müssen alle Straßenbahnen und Fahrzeuge ermittelt und vor allem auch unterschieden werden. Unter dem Straßenbelag wurden daher Detektoren installiert, um die Fahrzeuge zu ermitteln und in den Weichenbereichen werden die Straßenbahnen durch Gleiskreise ermittelt, die den erforderlichen Grad an Sicherheit gewährleisten. Auf Kreuzungen und Strecken, wo die Straßenbahn durch offenen Verkehr fährt, werden die Straßenbahnen durch selektive Erkennungsschleifen von anderen Fahrzeugen unterschieden. In anderen Schienenbereichen ermitteln Magnetschleifen die Straßenbahnen.

Enge Zusammenarbeit zwischen Vossloh und seinen Kunden

Vosslohs lange Erfahrung bei der Herstellung von Punkten und Übergängen sowie bei der Einrichtung der Signalführung für Straßenbahnen ist für die Kunden die beste Garantie für die Verlässlichkeit der Produkte. Zum Kundenstamm gehören Alstom, ETF und CTS. Die Erweiterung der Linie D zum Bahnhof von Kehl und vielleicht künftig auch zum Rathaus auf deutscher Seite wurde durch die bereits bestehende Zusammenarbeit verschiedener Teams ermöglicht, die seit 1994 in verschiedenen Projekten in Straßburg kooperieren.

Die erweiterte Linie soll im April 2017 in Betrieb gehen und die beiden Städte näher als je zuvor zusammenbringen.

Autor:
Laurent Letzelter, weltweiter Straßenbahnexperte
Vossloh Cogifer, Reichshoffen, Frankreich
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Eine neue internationale Straßenbahnlinie wird künftig Frankreich mit Deutschland verbinden

Abb. 2: Plan der 2,9 km langen Strecke der erweiterten Linie 15 zwischen Orbey Briand in Straßburg und dem Bahnhof von Kehl.

Eine neue internationale Straßenbahnlinie wird künftig Frankreich mit Deutschland verbinden

Abb. 3: Signalführungsdiagramm für den neuen Straßenbahnbetriebshof Port du Rhin

  Fordern Sie weitere Informationen an…

LinkedIn
Pinterest

Nehmen Sie an unseren 155000 IMP Followern teil