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Dichten wie gedruckt: PVC Tropfen für Tropfen präzise applizieren

Automobilbau: Neues Abdichtverfahren spart Zeit und Material bei verbesserter Optik.

Dichten wie gedruckt: PVC Tropfen für Tropfen präzise applizieren

Für die Abdichtung in der Lackiererei hat Atlas Copco eine neue Applikationstechnologie entwickelt. IDDA.Seal heißt das Verfahren, bei dem einzelne PVC-Tropfen mit hoher Frequenz auf die abzudichtenden Bauteile aufgetragen werden. Die automatisierte, hochpräzise Applikation spart bis zu 50 % Material und verringert die manuelle Nacharbeit um bis zu 40 %. Atlas Copco stellte IDDA.Seal zusammen mit seinem Entwicklungspartner Audi Anfang Dezember der Öffentlichkeit vor.

„Wenn Sie diese Technologie verstehen wollen, stellen Sie sich einfach einen Tintenstrahldrucker vor“, erklärt Olaf Leonhardt seinen Zuhörern, als er in Bretten das von Atlas Copco entwickelte, völlig neue Applikationsverfahren „IDDA.Seal“ präsentiert. Leonhardt führt die Geschäfte der Atlas Copco IAS GmbH und hat zahllose Entwicklungen in der industriellen Klebe-, Dicht- und Dosiertechnik begleitet. „Mit dem neuen Verfahren lösen wir zahlreiche Probleme, die Anwender in der Automobilindustrie bislang mit bestimmten Nahtabdichtungen in der Lackiererei hatten“, betont der Experte. „Denn IDDA.Seal ist ein echter Quantensprung in unserer Branche: Statt eines konstanten Materialflusses tragen wir das PVC Punkt für Punkt auf. Jeder Punkt wird genau dort gesetzt, wo er hingehört.“ „IDDA“ steht für „Intelligent Dynamic Drop Application“, den intelligenten und dynamischen, automatisierten Auftrag (von Dichtstoffen) in Tropfenform. „IDDA.Seal“ wiederum bezeichnet die Anwendung dieser Applikationstechnologie für Abdichtungen in Lackierstraßen.

Konkret geht es um PVC-Plastisole, die im Automobilbau häufig für kosmetische Sichtnähte, Nahtabdichtungen oder den Unterbodenschutz verwendet werden. Das Material, das noch vor der Lackierung auf Schweißnähte oder Schnittkanten einer Karosserie aufgetragen wird, schützt vor Korrosion, verbessert die Fahrzeugakustik und dichtet den Innenraum ab. „In der Regel hatte unsere Branche die Anwendungen mit konventioneller Technik auch gut im Griff. Aber durch immer komplexere Geometrien sind in den letzten Jahren ganz neue Herausforderungen aufgetaucht“, sagt Leonhardt.

Herausforderungen beim Nahtabdichten
Bisher setzen die meisten Automobilhersteller in den Lackierstraßen für kosmetische Nähte und die Nahtabdichtung die Dünnstrahl-, die Swirl- oder die Flatstream-Technologie ein. Dabei muss die Düse rechtwinklig zum Bauteil stehen, um einen optimalen Auftrag zu erreichen. „Der Applikationsabstand zwischen Düse und Bauteil beträgt nur wenige Millimeter, was bereits einige Einschränkungen mit sich bringt“, erklärt Olaf Leonhardt. „Denn nicht alle Stellen sind mit dem Roboter gut zu erreichen.“ Außerdem sei es bei einem automatisierten Auftrag insbesondere bei hohen Robotergeschwindigkeiten bisher schwierig gewesen, eine definierte Höhe der PVC-Naht beizubehalten. „Mit der bisherigen Applikationstechnologie kann es zu Materialanhäufungen an den Wendestellen kommen, oder spitze Winkel werden nicht richtig erreicht. Das macht manuelle Nacharbeit erforderlich, um Undichtigkeiten zu vermeiden und überschüssiges Material zu verstreichen“, führt der Atlas-Copco-Experte weiter aus. „Das kostet natürlich Zeit, Material und damit Geld!“

PVC wird in einzeln steuerbaren Tropfen aufgetragen
Diese Punkte waren auch für einen Hersteller von Premium-Automobilen ein Thema. So entstand die Idee, für den Dichtstoffauftrag an komplexeren Geometrien eine noch präzisere und flexiblere, automatisierte Technologie zu entwickeln. „Ziel war es, insbesondere in der Feinnahtabdichtung unzugängliche Stellen möglichst optimal automatisiert per Roboter abzudichten“, blickt Leonhardt zurück. Beispiele seien der Lampentopf oder auch Sichtnähte wie die Wasserablaufrinne im Heckbereich. „So wollte unser Kunde vor allem die Ergonomie für die Mitarbeiter verbessern, PVC-Material einsparen und Verschwendung vermeiden.“

Atlas Copco entwickelte daraufhin ein neues Verfahren für die Abdichtung in der Lackiererei, das unter dem Namen „IDDA.Seal“ in absehbarer Zeit auch anderen Herstellern zur Verfügung steht. „Das PVC wird in ultrafeinen Tropfen über fünf Nadeln aufgebracht, die einzeln angesteuert werden können. Dadurch lassen sich das Öffnen und Schließen der Nadeln, das Tropfenvolumen und der Tropfenabstand individuell einstellen und auf die gewünschte Nahtgeometrie anpassen“, erklärt Leonhardt. Das erhöhe die Flexibilität deutlich. „Dafür haben wir einen neuen Applikator entwickelt, und natürlich werden die besseren Steuerungsmöglichkeiten auch über eine neue Software abgebildet“, sagt der Atlas-Copco-Manager. Klassische Steuerungen konnten dem Applikator dagegen nur den Befehl zum pneumatischen Öffnen oder Schließen erteilen. Der Anwender spüre von der Komplexität des neuen Systems gleichwohl nichts, meint Leonhardt: „Geschulte Anlagenfahrer können die optimale Schichtstärke und Breite des Materialauftrags ganz einfach vorab in der Steuerung festlegen.“

Kurze Reaktionszeiten ermöglichen präzise und randscharfe Applikation
Ein robotergeführter Applikator trägt die Tropfen in variablen Größen von 1 bis 1,5 mm in hoher Frequenz auf das Bauteil auf. Daraus resultiert eine sehr kurze Reaktionszeit von nur 1 ms. Bei dynamischen Robotergeschwindigkeiten von 50 bis 600 mm/s sind Richtungsänderungen nun kein Problem mehr. Auch in diesen Grenzbereichen ist eine präzise Applikation mit randscharfen Konturen möglich. Während bei konventionellem Materialauftrag in Kurven oft zu wenig PVC an die Außenseite und zu viel an die Innenseite gelangt, wird das Material mit dem neuen Verfahren auch bei Richtungsänderungen gleichmäßig aufgetragen. „Selbst komplexe Nahtgeometrien mit Einschnürungen, Lücken und Nahtüberlappungen werden qualitativ und optisch hochwertig ausgeführt“, streicht Leonhardt heraus.

Vor allem bei komplexen Bauteilgeometrien spielt das neue Verfahren seine Vorteile aus. Der Abstand zwischen Applikator und Bauteil kann 5 bis 80 mm betragen, in Sonderfällen sogar mehr als 100 mm – und nicht nur 3 bis 5 mm, wie es bei konventionellem Dichtstoff-Auftrag der Fall ist. „Der Applikationsabstand kann also um bis zu 25-mal so groß sein wie bisher. Das sind natürlich Welten!“, freut sich der Atlas-Copco-Experte. „Denn der wesentlich größere und vor allem variable Abstand vereinfacht die Roboterprogrammierung und auch die Zugänglichkeit zum Bauteil.“ Dabei sei ferner hilfreich, dass die Düsen auch vergleichsweise schräg zur Applikationsfläche stehen könnten, um die Tropfen in verschiedenen Winkeln, ziehend oder stechend aufzubringen. „Beim konventionellen Auftrag brauchen wir einen rechten Winkel“, sagt Leonhardt. „Bei IDDA.Seal sind Abweichungen von der Senkrechten um bis zu 25 Grad dagegen kein Problem – die Geometrie der Naht bleibt unverändert. So kommen wir mit erheblich weniger Roboterprogrammierpunkten aus.“

Bis zu 50 % weniger Material und 40 % weniger manuelle Nacharbeit
Und IDDA.Seal bringt noch weitere Pluspunkte mit sich: Die randscharfe Applikation macht viele Schablonen überflüssig, der hochpräzise Auftrag mit kontrollierter Schichtdicke kann die manuelle Nacharbeit um bis zu 40 % reduzieren. Und das eingesparte PVC senkt den Materialverbrauch um bis zu 50 %, wodurch auch das Fahrzeug leichter wird. „In modernen Fahrzeugen werden mehrere Kilogramm PVC aufgetragen“, streicht Olaf Leonhardt heraus. „Mit dem Verfahren minimieren wir also die Verwendung an sich, aber auch die Menge an PVC, die entsorgt werden muss!“ Atlas Copco hat das neue Verfahren für höchste Auftragsqualität bei gleichzeitig kürzerer Fertigungszeit entwickelt und IDDA.Seal zum Patent angemeldet. Seit kurzem läuft die intelligente, dynamische Tropfenapplikation für das automatisierte Abdichten in der Audi-Serienfertigung in der Lackiererei am Standort Győr in Ungarn. Das Verfahren soll zukünftig an weiteren Audi-Standorten und neben der Feinnahtabdichtung kosmetischer Nähte auch für Grobnahtabdichtungen eingesetzt werden.

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